Samstag, 24. November 2007

Pop Life I

Kleiner Besinnungsaufsatz zur Lage der deutschen Phonoindustrie, heute erst mal nur die Vorrede, quasi das Wort zum Totensonntag der Plattenfirmen und all jener, die blöd genug sind, sie durch Käufe zu unterstützen – Tach Hörer! Hallöchen Konsument! Du bist gemeint. Die größten Hits aus den 60ern, 70ern, 80ern und das Beste von heute. Gleich nach der Werbung. Dumdidum.
Alle Raubkopierer haben Glück, an die richtet sich dieses Schreiben an die Gemeinden nicht, die können jetzt mal kurz austreten und locker wegschauen.
Sicher, vor hundertfünfzig Jahren gab es noch keine Volksempfänger oder Tonträger, man ging ins Konzert oder ließ es bleiben. Und in hundertfünfzig Jahren wird es ebenfalls keine Musikindustrie im heutigen Sinne mehr geben, und das sollten all jene nie vergessen, die Dylan, die Beatles und die Stones heute schon zu ewigen Säulenheiligen einer Kultur erklären, die doch nur niedere Unterhaltungsschaffe ist und ewig bleibt, ranzige Musik, nach der morgen, im 22. Jahrhundert, schon kein Hahn mehr krähen wird.
Irgendjemand hier, dem Vivaldi heutzutage wirklich noch alles ist? Na also, sehen Sie. Dann, im Jahr 2525, sitzen wir wieder vor den Höhlen, am Lagerfeuer und singen. Kostenlos. Ohne Jamba-Sparabo. Ohne das ganze Business.
Bis dahin sollte man jedoch wachbleiben und die Krankheit unserer Zeit nicht nur diagnostizieren, sondern auch ruhig als eine solche benennen dürfen.
Gegen Verblödungsoffensiven hilft keine Erweiterung des Kulturbegriffs. Eure Popkultur ist ein reines Geschäft, und manchmal nicht mal das.
Zunächst kleiner erläuternder Rückblick in die Historie, mit anschließendem Sprung ins Jetzt: Ältere Menschen kaufen keine Platten, das wurde jahrzehntelang angenommen, bis auf einmal der Buena Vista Social Club in Deutschland ein begeistertes Publikum fand, irgendwo zwischen Dritter-Welt-Solidarität und dem Hüftschwung der Toskana-Fraktion. Der Schläfer war als potentieller Käufer ausgemacht. Das war vor gefühlt zehn Jahren, im langen heißen Sommer des Dr. Feelgood der Politik, Gerhard Schröder, als unsere Republik für kurze Zeit so etwas wie Lässigkeit verströmte.
Heute ist die Grundsituation eine gänzlich andere, denn inzwischen kauft niemand mehr Platten, am Allerwenigsten die anvisierte Zielgruppe 14 bis 49 (nicht zu verwechseln mit den Lottozahlen), und der Schläfer liegt sowieso schon wieder längst im Koma.
Dafür kommen Klingeltöne irre gut und Online-Downloads für 99 Cent. Das ist aber eigentlich auch alles vernachlässigbar, denn die wahren Strukturprobleme liegen ganz woanders. Weder die Kids noch die Form, sondern der Inhalt ist not alright. Was in den nächsten Wochen noch zu beweisen wäre.

Samstag, 17. November 2007

Back in Action

Ich hab die Nacht geträumet wohl einen süßen Traum. Es wuchs in meinem Garten ein Rosmarienbaum. Gleich daneben hatte unser neue Bundeskanzler Ralf Moeller seinen Porsche geparkt.
Hallo Jungs, griente Moeller und schüttelte uns allen die Patschehändchen. Schön, daß Ihr da seid. Find ich echt stark von Euch.
Moeller nahm Platz auf dem Podium, und die Pressekonferenz konnte beginnen.
So ein Mäuschen, das eigentlich nicht wie eine Journalistin wirkte, sondern mehr aussah nach Ansagerin bei Neun live, stellte die erste Frage. Die habe ich nicht genau mitbekommen, weil ich gebannt auf ihre enorme Oberweite starrte, die sich unter dem engen T-Shirt deutlich abzeichnete. Sie wollte aber wohl irgendwas wegen der Türkei wissen.
O-Ton Moeller: Die Bundesregierung, das heißt: also ich, sollte langsam darüber nachdenken, Chuck Norris und seine Jungs von der Delta Force zu engagieren, um endlich unseren Marco aus dem Türkenknast zu holen. So geht es ja schließlich nicht. Und auf die kleine englische Schlampe, die ihm das alles eingebrockt hat, setzen wir am besten gleich mal jene Liquidierungs-Abteilung von Mossad aus dem Spielberg-Film an. Die haben jetzt wohl eh nicht mehr so viel zu tun wie noch damals in den Siebzigern. Was ich mich schon immer gefragt habe, auch damals schon in Recklinghausen: Wieso zum Geier haben die eigentlich nie den Carlos bekommen? Na egal, ist Schnee von gestern. Und wo die Israelis dann schon mal dabei sind, können die vielleicht auch gleich noch Maddie aufspüren. Dürfte ja für solche Teufelskerle nicht so schwer sein.
Nächste Frage: Herr Moeller, was sagen Sie denn zum Iran?
Antwort: Also, mein guter Freund, der Uwe Boll, der hat da schon ein paar echt gute Ideen. Wir könnten zum Beispiel diesen Ahmadinedschad foltern und dazu zwingen, sein Atomprojekt aufzugeben, indem wir ihm einfach in einer Endlosschleife immer und immer wieder House Of The Dead und Alone In The Dark vorspielen. Das würde zünden, sag ich Euch...
Kurz darauf bin ich dann leider aufgewacht und war ein bißchen traurig, als im Frühstücksfernsehen immer noch Angela Merkel zu sehen war. Von Ralfi keine Spur.So, jetzt könnte man noch eben fix ein paar Zeilen über den Deutschen Herbst oder Müntefering volldudeln. Man kann es aber auch ebensogut lassen.

Samstag, 10. November 2007

Vollidioten

In der Zeitung ein Artikel über Amy Winehouse. Schon wieder. Wenn man als Musiker erst mal die Seiten des Feuilletons einer verschlafenen überregionalen Tageszeitung erreicht hat, für die der Tellerrand der Kunstwelt sonst bei egalem Autorenkino aus der Mottenkiste und spackig-uninteressantem Indiepoprock endet, dann weiß man: Das war’s. Jetzt kommt nichts mehr. Von wegen, man hätte es geschafft. Nichts hat man. Man ist einfach nur dahingestreckt, gemetzelt und erledigt.
Andererseits fängt es gerade da erst an, sich finanziell überhaupt zu lohnen. Im Untergrund ist Kummermund, mit schlechten Zähnen und Loch im Bauch.
Bin Künstler, habe Hunger, nehme Geld. Schreibt man auf ein Pappschild und stellt sich damit in die eigene Ausstellung. Das Großbürgertum scharwenzelt, mit Prosecco in der einen, der Zahnarztgattin in der anderen Hand vorbei und lacht sich ins Fäustchen. Ja ja, diese Künstler, hi hi.
Daß Ironie jedoch OVER AND OUT und dies hier nur noch blutiger Ernst ist, ein letzter Aufschrei eines verzweifelt Ertrinkenden, das begreifen diese satten Pfeffersäcke schon längst nicht mehr, hätten es womöglich auch nie gekonnt. Bei solchen Menschen kann man nämlich nie wissen, ob sie überhaupt jemals jung waren oder nicht doch schon selbst mit fünfzehn mental vergreist und somit voll auf der FDP-Einheitslinie. Sie haben nichts, sie besitzen nur.
Die Winehouse jedoch hatte tatsächlich etwas. Ihr ward ein unbezahlbares Geschenk zuteil, und sie hat es einfach leichtfertig drangegeben. So jemand braucht nicht unser Mitleid. Der Gesang ist eine Gabe Gottes, wer Schindluder damit treibt, kommt aus der ganzen Nummer nicht raus unter einer Dreiviertelewigkeit Fegefeuer.
Für die schmerzbefreite Amy, die saisonale Stilikone des Fremdschämens, gilt jedenfalls dasselbe wie für Pete Doherty wie auch für alle anderen Junkbrüder und -schwestern im Geiste. Merle Haggard kondolierte in den Siebzigern recht ungerührt über ein kurz zuvor verschiedenes Sweetheart vom Rodeo wie folgt: Gram Parsons war ein Waschlappen. Und weiter: Ich finde nicht, daß Junkies coole Burschen sind. Doch wohl eher Vollidioten, wenn Sie mich fragen.
Liebe Kinder, so und nicht anders isses doch. Der Onkel aus Muskogee hat absolut Recht. Drogen sind nicht cool. Koks macht nachgewiesenermaßen dumm. Und der Rest aus der Apotheke ist auch nicht besser. Kocht euch lieber mal einen schönen Kamillentee oder so.
Und wenn schon unbedingt Musik von Junkies, dann legt doch beim nächsten Mal einfach ein Album von Judee Sill auf. Was euch dort erwartet: Ray Charles und Johann Sebastian Bach, klar wie das Quellwasser aus dem französischen Werbefernsehen. Intensität und Intimität, Reinheit und aufrichtige Gefühle, Erlösungsphantasien und pure Spiritualität. Und die Erkenntnis, daß man Unschuld nicht verlieren kann, sondern sie sich erst einmal verdienen muß.

Samstag, 3. November 2007

Jesus was a cross maker

Ich setze mich aufs Lokus und verkündige von dort: Jesus war der erste Selbstmordattentäter der Weltgeschichte. Führende Theologen sollen mir erst mal das Gegenteil beweisen. Können sie aber nicht. Ätsch.
Immerhin jedoch, so viel muß man dem Zimmermann aus Nazareth schon zugestehen, war seine PR-Abteilung absolut unschlagbar. Niemand sonst ist je weiter gegangen in der radikalen Umdeutung sämtlicher Tatsachen, nicht einmal die Bush-Administration im Falle der Beweisführung, daß der Irak Massenvernichtungswaffen besitzt.
Die Passion macht auf einmal Spaß. Ein Verbrecher wird gefeiert. Durch den hundertprozentigen Einsatz seines Körpers wurden Milliarden von Geistern überzeugt. Das soll ihm erst mal jemand nachmachen. Wobei, vielleicht besser doch nicht.
Ein hilfloses Opfer wird zum glorreichen Helden umgeformt, seine Ohnmacht wird zur Macht verklärt, sein Schmerz und seine Unterdrückung transformieren sich zur Lust und Befreiung, sein Tod, die ultimative Niederlage, wird verwandelt in ewiges Leben.
Aus dem vielleicht größten Scheitern der Menschheit ziehen Leute weltweit über zweitausend Jahre hinweg ihre größte Hoffnung. Das ist schon extrem WOW. Sich das mal zu vergegenwärtigen, ist eine echt spannende Angelegenheit.
Gänzlich uninteressant hingegen präsentierten sich die Medien in den letzten Wochen: Sarkozy wird sauer, wenn man ihn auf seine Alte anspricht (verständlich, wenn man auf so eine Eule reingefallen ist). Über einen jungen Fußballer fällt die ganze selbstgerechte Meute der Nation her, nur weil er bei seinem nächsten Besuch im Iran seine dortigen Verwandten gern daheim anstatt im Gefängnis antreffen möchte. Plasberg verwechselt Arroganz mit investigativem Journalismus. Und über Pocher lacht nach wie vor in erster Linie er selbst. Außerdem muß Ahmadinedschad ganz schnell weg. Ebenso wie Bublath.
Sehen Sie nächste Woche: Kurt Beck huldigt Satanas Abraxas, und Eva Herman darf mein Klo putzen. Sowieso hat die Trulle ihre 15 Minuten Ruhm jetzt schon länger überzogen, als es Gottschalk am Samstagabend je in den Sinn käme. Also hopp hopp, frisch ans Werk, Madame.